ElfLynn - Wanderin zwischen den Welten

Willkommen im Reich der GROSSEN GÖTTIN, Mutter allen Lebens, SIE, die ist, war und immer sein wird 




 

Hier werde ich weitere Kurzgeschichten und Erzählungen aus unterschiedlichen Genres zum Besten geben. Dabei geht es für mich darum, meine schriftstellerische Kreativität auszuprobieren, mich selbst auszuprobieren ohne Anspruch auf irgendetwas... 


 Kurzgeschichten-Sammlung "Das Tinchen"


Hier habe ich eine Kurzgeschichten-Sammlung gefunden, die ich 1995 geschrieben habe, doch Vorsicht, ich vermute diese kleinen Anekdötchen sind nicht pädagogisch wertvoll, doch lest selbst... Es beginnt mit einem Vorwort:
















 

Das Tinchen

 


Vorwort:
Draußen liegt Schnee und es ist bitterkalt. Die Sonne geht unter und es wird Zeit für viele Kinder mit ihren Schlitten nach Hause zu gehen. Ich sitze hier in einem alten Haus und der Ofen hinter mir wärmt meinen Rücken.


Ich lebe mitten in der Wildnis, zwischen Bäumen und Tieren und die Menschen in ihren Autos fahren stets vorbei. Für manche mag das schön klingen, aber durch die Kälte sind einige Wasserleitungen eingefroren und nun habe ich kein warmes Wasser mehr. Stellt euch das nur mal vor: Ihr müsstet eure Zähne und alles mit eiskaltem Wasser putzen und waschen.
Und nachts ist es so kalt, dass ich Eisblumen am Fenster habe, denn ich habe keine Heizung, nur Öfen und kein Geld für Kohle. Ich sammle Holz im Wald und von meinen Bekannten. Ja, mag sein, ich bin arm, aber ich habe ein großes Herz für Kinder, Bäume, Blumen, Tiere und ich habe viele Träume und viel Fantasie. Ich bin so alt wie eure Mutter, aber manchmal, wenn ich den alten Walnussbaum in meinem Garten sehe, fühle ich mich so alt wie Mutter Baum und wenn ich zum Haus zurück gehe und mit jedem Schritt auf Mutter Erde trete, dann fühle ich mich so alt wie sie.


Ich wollte hier leben, denn ich wollte mich aus dem hektischen Leben der großen, erwachsenen Menschen zurückziehen, ich wollte Kinderbücher schreiben, denn die Erwachsenen sagen, dass ich, obwohl so alt wie ein Erwachsener, nicht erwachsen sei. Als ich noch jünger war, habe ich mir vorgenommen, wenn ich erwachsen wäre, dass ich nie so sein wollte wie sie – ich wollte meine Erinnerungen an mein Kindsein  und wie ich die Welt mit meinen Kinderaugen sah, behalten.


Nun sitze ich hier und schreibe für euch eine von vielen Geschichten, denn eine Geschichtenerzählerin, ja, das bin ich und nun erzähle ich euch die Geschichte von Tinchen. Vor langer Zeit, als ich noch ein kleines Mädchen war, da lebte das Tinchen und das war ein ganz besonderes kleines Ding, lasst es euch erzählen:



Die Mutprobe


Das kleine Tinchen war oft allein zu Hause, denn ihre Eltern mussten arbeiten, damit sie das schöne große Haus mit dem Garten bezahlen konnten. Dafür hatte Tinchen einen eigenen Sandkasten, eine Schaukel und sogar einen Fliederbaum, der so alt war wie sie, denn er wurde am Tag ihrer Geburt gepflanzt. Als sie noch kleiner war war als jetzt und noch nicht in den Kindergarten ging, da war ihre Oma jeden Tag da, um auf Tinchen aufzupassen. Doch nun kam die Oma viel zu selten und das fand Tinchen nicht schön, aber es ging nicht anders hatte ihre Mutter ihr erklärt. Außerdem war es im Kindergarten auch sehr schön, denn dort waren viele Kinder und alle spielten gerne mit ihr. Sie fanden die Spiele, die Tinchen sich ausdachte am besten und manchmal auch ganz schön gefährlich. Zumindest sagten das die Erzieherinnen, wenn Tinchen auf die Idee kam, von den anderen Kindern eine Mutprobe zu verlangen. Die heutige Mutprobe lautete: auf den Bauch die Rutsche hinunter rutschen und dabei die Arme auf den Rücken verschränken. Das jedoch, fanden die Erzieherinnen gar nicht mutig, sondern dumm, weil man dann ja mit dem Gesicht im Sand landete und mit dem Gesicht bremsen musste, was nicht sehr angenehm war. Also musste Tinchen ein paar Minuten in die Ecke, sie sollte darüber nachdenken, was sie falsch gemacht hatte.
Und da stand unser Tinchen nun und überlegte: Mit meinem Gesicht bin auch schon ein paarmal in den Sand gefallen. Das hat nur manchmal wehgetan, wenn der Sand in die Augen kam, oh ja, das war höllisch, aber sonst schrabbt und zieht es nur ein bisschen und die Hautabschürfungen sind auch wieder geheilt. Also daran kann es nicht liegen. Außerdem sind Mutproben nun einmal nicht angenehm, sonst wären es ja keine Mutproben.
Gerade als sie zu Ende gedacht hatte, fragte die Erzieherin: „Na, Tinchen, was war falsch?“
Und Tinchen antwortwortete: „Ich hätte besser aufpassen sollen, dass mich keiner erwischt!“
Entsetzt riss die Erzieherin die Augen auf: „Wie kommst du denn darauf?“ und Tinchen antwortete: „Na, mein Papa sagt immer, wenn du schon nur Unsinn im Kopf hast, dann lass dich wenigstens nicht erwischen!“
Lang und breit wurde ihr dann erklärt, dass es gefährlich sei mit dem Gesicht voran zu rutschen, weil Steine und schlimmstenfalls sogar Scherben oder kleine Stöckchen im Sand verborgen sein könnten und dann wurden aus den Hautabschürfungen gleich fehlende Augen oder verletzte Augen und sogar Nie-mehr-Sehen-können. Daran hatte Tinchen natürlich nicht gedacht, so groß sollte die Mutprobe nun doch nicht sein.
„Hast du das jetzt verstanden?“, wurde sie gefragt und Tinchen nickte ernst. Ja, sie hatte verstanden, dass die Großen eben immer ein bisschen weiter waren als sie selbst und dass sie sich größere Mutproben ausdenken konnten mit fehlenden Augen und Nie-mehr-Sehen-können. Und eines Tages wäre sie groß und könnte sich auch solch schreckliche Dinge ausdenken.

Hier habe ich mich via Video als Geschichtenerzählerin ausprobiert:

Sind nicht perfekt geworden, aber manchmal erlaube ich mir auch das Unperfekt zu veröffentlichen. Doch Vorsicht, auch diese Episoden von der Kurzgeschichten-Reihe "DAS TINCHEN" haben einen schwarzen Humor und sind pädogogisch wohl eher nicht wertvoll... aber auf jeden Fall amüsant.

Tinchen und Freßsack


Der Sonntagsbraten





Bruder unter der Sonne

- Erzählung -

Geheimnisvoll krochen morgendliche Nebelschleier durch die Gauseköte, ein Waldgebiet von magischer Schönheit, das sich zwischen Hornwald und Forst Düsterlau im Teutoburger Wald erstreckte. Die Feuchtigkeit der Nacht verdunstete schnell unter der aufgehenden Julisonne. In einem ehemaligen Forsthaus machte sich Magdalena auf, ihre drei Ziegen zu füttern. Es war Mittwoch und Magdalenas Tochter Hanna kam, um nach dem Rechten zu sehen. Heute hatte Hanna ihre 6jährige Enkeltochter Janina mitgebracht, bislang Magdalenas einzige Urenkelin. Auch dieses Mal beklagte sich die Tochter, dass Magdalena so eigenbrödlerisch und fernab jeder Zivilisation lebte, ging dann aber ins Haus um für Ordnung zu sorgen, während Magdalena und Janina es sich auf der Hollywoodschaukel auf der Veranda gemütlich machten.

„Erzähl mir eine Geschichte, Urgroßmutter!“, bettelte Janina. Magdalena lächelte: „Also gut, ich will dir die Geschichte von meinem Bruder erzählen...“

„Aber du hast doch gar keinen Bruder, Urgroßmutter“, platzte die kleine Janina dazwischen. Sie war mit ihren sechs Jahren schon recht pfiffig und clever.

„Er ist mein Bruder unter der Sonne und dem Mond“, flüsterte Magdalena geheimnisvoll. Still wurde Janina nun und Magdalena fing zu erzählen an: „Deine Oma Hanna war ungefähr so alt wie du jetzt und wir lebten auf einem alten Kotten zwischen Bad Salzuflen und Lemgo. Dein Urgroßvater Pit, der Vater deiner Oma, brachte ihn eines Tages mit... als ich ihn zum ersten Mal sah, lag er gefesselt im Kofferraum. Bevor ihm die Stricke entfernt wurden, band Pit ihm ein langes Seil um den Hals, damit er nicht fliehen konnte. Und obwohl er sicher wahnsinnige Angst ausgestanden hatte, sprang er aus dem Auto, schüttelte sich kräftig und meckerte mä-ä-ä.“

Ziegenbock

„Eine Ziege!“, rief Janina aufgeregt.

„Ein Ziegenbock“, korrigierte Magdalena „man hatte ihn Rambo genannt. Vom Kopf bis zu den Hörnern war sein Fell schwarz, ging am Hals, den Vorderläufen und der vorderen Brust in ein schokoladenbraun über, quer über Bauch und Rücken hatte er einen schneeweißen breiten Kringel und das Hinterteil war wieder schokoladenbraun. Keck bogen sich seine Hörner seitwärts gen Himmel und seine Tütenohren zappelten abwechselnd  vor Aufregung. Da stand er also vor mir, schürzte seine Lippen und käute nachdenklich. Ich konnte seine kleinen unteren Zähne mit den Zahnlücken sehen, was ihm etwas Niedliches und Kleinkindliches gab.

Frech blickte er mich an mit seinen Ziegenaugen. Erst fürchtete ich mich ein wenig vor dem befremdlichen Blick, der von den Ziegenpupillen ausgelöst wird. Doch dann schaute ich ihm hinter die Augen, in sein Wesen und es rührte mein Herz vom ersten Moment an.

Wie von der Tarantel gestochen drehte er plötzlich auf dem Absatz um und preschte davon. Genauso plötzlich besann er sich, bremste scharf, drehte sich gleichzeitig und kam als dreifarbige Kugel zurück gerast. Dann stieg er auf die Hinterbeine und hüpfte vorwärts auf mich zu. Ich musste lachen, was für ein putziges Kerlchen!

Er sah mich erstaunt an, wurde lammfromm, stupste mich zärtlich und ich fühlte zum ersten Mal sein Fell. Es war struppig und dem Fell eines Rauhaardackels ähnlich. Er hatte keine Angst vor mir, es war als würden wir einander schon immer kennen.

Als habe er schon damals die Entscheidung getroffen, niemanden neben mir zu dulden, griff er deinen Urgroßvater an. Ein wenig unbeholfen wirkte seine Attacke, weil er noch halbwüchsig und auch weil es eher ein Imponiergehabe, als bitterer Ernst war. Doch dein Urgroßvater griff ihn bei den Hörnern und drückte ihn zu Boden, dabei verdrehte er ihm den Hals, als ob er sein Genick brechen wollte, denn dein Urgroßvater duldete keinen anderen Bock neben sich – und schon gar kein Wesen, das es wagte, mich zu lieben.

Der Anblick war für mich unerträglich. Als Rambo dann einen kläglichen Laut von sich gab und ich befürchtete, Pit bräche ihm tatsächlich das Genick, war mir, als hätte dein Urgroßvater mich und nicht Rambo in diese demütigende Haltung gezwungen. Einhalt gebietend griff ich beherzt ein und Rambo kam frei.

Bruder, so nannte ich ihn mit meinem Herzen. Für mich stellte er sich quer auf die Straße, brachte Autos zum Stehen, hätte sie angegriffen, wenn er sie als gefährlich für mich empfunden hätte. Er wollte mich und unser Zuhause beschützen.

Wenn Rambo das Postauto hörte, raste er zum Gartentor, erhob sich auf seine Hinterbeine, mit den Vorderhufen stützte er sich am Gartenzaun ab. Der Anblick eines ziemlich beachtlichen Ziegenbocks, der prüfend über den Zaun spähte, war dem Briefträger nicht geheuer. Auf das bange Fragen versicherte ich jedes mal, dass Rambo nichts täte, dennoch verließ der Postbote sein Auto nie mehr. Stattdessen fuhr er dicht an den Briefkasten, stopfte die Post so gut und schnell er konnte in den Schlitz und raste davon. Rambo aber liebte Papier und wenn die Post oben heraus lugte, fraß er sie auf. So manches Mal hat er damit den Familienfrieden gerettet, wenn sich in der Tagespost die Telefonrechnung befand, die oft sehr hoch war.

Schnell sprach sich Rambos besondere Art in unserem Dorf herum, und die Leute kamen, um ihn zu sehen, lachten, wenn er wie der Blitz im Kreis rannte, plötzlich hüpfend, bockend, buckelnd sich schüttelnd- dann wie eine kleine Kampfkugel auf die Besucher zugeschossen kam. Meist wurde das Lachen schnell etwas unsicherer und so manchen gefror das Grinsen im Gesicht, wenn er den Kopf senkte wie ein Stier in der Arena. Ich rief dann laut ‘Nein’ und er brach seine Attacke ab, kam an meine Seite, reckte sein Köpfchen und man konnte es in seinen Augen lesen: Das habe ich alles nur für dich getan! 

Wer mit dem Herzen sah, erkannte, dass hinter seinem Gebaren allein ein zart liebendes Herz schlug - an Rambo war kein einziges böses Haar.

Doch die Wenigsten sehen mit ihrem Herzen. Die Leute lachten über ihn, wenn sie sich sicher fühlten, aber geheuer war er ihnen nicht.

Alles im Leben ist nur geliehen, oft vergessen wir Menschen zu schätzen, was wir haben und erst der Verlust macht deutlich, wie kostbar und einzigartig die Zeit war, die uns geschenkt wurde.“ Magdalena verstummte.

“Was ist geschehen?”, fragte Janina.

Magdalena war in eine vergangene Zeit gereist, so schien es. Ihr Gesicht strahlte, mehr noch, es war als wäre die gesamte Urgroßmutter von einem seltsamen Strahlen umgeben. Das Strahlen aus Magdalenas Gesicht verschwand: “Die Ehe zerbrach, ich musste ihn und die anderen Tiere fortgeben und zog mit deiner Oma in die Stadt.“

„Oh nein!“, rief Janina bestürzt, „Hast du geweint? Und bist du immer noch traurig?“ Erstaunt betrachtete Magdalena ihre Urenkelin: „...meine späteren Bemühungen, ihn ausfindig zu machen, blieben erfolglos. Ja, ich habe viele Jahre um ihn geweint, fühlte ich doch, dass mein Herz mit ihm ging und ihn begleitet wo immer er auch sein mag. Irgendwann begriff ich, dass es die gleiche Sonne ist und der gleiche Mond, die auf uns niederscheinen, egal wo wir sind. Und eines Tages, am Ende unserer Reise, wenn wir über die Regenbogenbrücke gehen, sehen wir uns wieder.“

Plötzlich steckte Hanna ihren Kopf aus dem Küchenfenster: “Warum schaffst du nicht endlich diese Viecher ab und wirst vernünftig...”

Magdalena schmunzelte und Janina flüsterte: “Aber hat Oma Rambo nicht auch gekannt?“ Magdalena nickte :„Ja, sie war noch klein, so alt wie du. Sie versteht es nicht.“

“Kommt zu Tisch, das Essen ist fertig!” unterbrach Hanna erneut.

Janina legte zaghaft die Hand auf den Arm ihrer Urgroßmutter und flüsterte: “Aber ich verstehe,.... Schwester unter der Sonne und unter dem Mond!”


Neu: Bruder unter der Sonne als Hörbuch

Diese Erzählung habe ich jetzt auch als Audio-Datei vertont, für alle, die gerne eine Geschichte erzählt bekommen, anstatt sie zu lesen:




Kostenlose Hörbücher

Hier stelle ich Kurzgeschichten als Hörbücher online in Form eines Videos, die Texte sind natürlich von mir selbst geschrieben und auch von mir selbst vorgelesen.  Hier könnt ihr Euch die Kurzgeschichte anhören: 


Das gefährliche Spiel 

Gefährliches Spiel


Der Schatz



Der Schatz





Das Muttermal

- Erzählung -  

 

Seit jeher liebte ich, mich von den Wäldern in ihre mystischen Tiefen führen zu lassen, bis die Türen zu jener anderen Welt hinter dem Sichtbaren sich offenbarten und mich passieren ließen. Anfangs hatte ich Angst, denn es war das Elfen- und Feenreich, in das ich eingelassen wurde. Es gab so viele Geschichten, dass es verboten war, dort zu essen, weil man sonst für immer bleiben musste. Auch dass dort ein einziger Tag sieben Jahre in der Menschenwelt wäre, machte mir Sorge. Letztlich war es jedoch die Liebe, die mir den Mut gab, mich dieser Angst zu stellen. Der Schönheit des Waldes verfangen, wünschte ich nichts sehnlicher als tiefer und tiefer in diese Schönheit einzutauchen wie in einem See voll mit frischem Quellwasser. 

Das Zeitempfinden ist im Feenreich etwas anders, die Zeit, sie fließt dort in der Tat schneller, während die Zeit im Menschenreich – wie scheinbar alles andere auch - von einer seltsamen Trägheit ergriffen ist. Dabei sollte ich noch erwähnen,  dass es auch andere Wälder, als nur Feenwälder gibt. Zauberwälder, Hexenwälder, Wichtelwälder und vielerlei mehr.  

 An diesem nebligen Morgen war ich auf den Weg in den Feenwald und schritt den Düsternsiek hoch. Ich hatte das Tor der Anderswelt zum Naturreich und seinen Bewohnern noch nicht durchschritten und wunderte mich, dennoch am Stiel eines Fliegenpilzes lehnend einer kleinen Elfe gewahr zu werden. Das war mehr als ungewöhnlich, denn die Elfen zeigten sich so offensichtlich in der Menschenwelt schon lange nicht mehr. Vorsichtig kniete ich mich auf den duftenden Teppich aus Kiefern- und Tannennadeln: „Hallo“,flüsterte ich freundlich, „was machst du hier?“ Erschrocken drehte sich die Elfe zu mir um, ihre filigranen Flügel bebten leicht vor innerer Aufgelöstheit: „Selber Hallo, ich bin Wanaha und habe mich verirrt“, schreckhaft wirbelte sie herum, „Was, was ist da? - Ach, eine rote Beere am Strauch", beantwortete sie ihre eigene Frage. "Also ich komme aus dem Elfenreich und irgendwie... – hast du das jetzt gesehen? Der Vogel hat die Beere gefressen, so was... - Wo war ich?“

„Du kamst aus dem Elfenreich...“

„Ah, ja. Ich bin da irgendwie hinaus glaub ich, die anderen sind plötzlich alle weg, nicht mehr da, weg eben... - Was raschelt da im Gebüsch? Ich will mal nachsehen“.  

Durch ein sanftes „Hey, warte mal!“ hielt ich sie davon ab.

„Wie? Nicht nachsehen? Wo waren wir? Ich muss zurück, irgendwie“, ihre winzigen Augen blitzten mich plötzlich an, „Ha, jetzt hast du es auch gehört... das Rascheln, hab doch gesehen, wie dein Kopf in die Richtung zucken wollte“, ihr Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig, „warte mal, du hast da einen Fleck im Gesicht, lass mich mal sehen...“ Sie sirrte auf mich zu, und ich schüttelte mich als wollte ich eine Fliege abwehren. „Das ist ein Muttermal“, erklärte ich.

„Lass doch mal anfassen!“, verlangte sie neugierig und empörte sich, als ich mich abermals schüttelte. „Aber wieso denn nicht?“ Sie blieb vor meinem Gesicht in der Luft stehen, ihre Ärmchen in die Hüfte gestemmt. „Weil ich nach Hause muss?“, wiederholte sie meine Verlegenheitsantwort, „Aber was hat mein Zuhause mit deinem Muttermal zu schaffen?“

„Nichts!“, erwiderte ich schmunzelnd, weil ich mich ertappt fühlte.

„Nichts? Und wieso... - wieso siehst du mich überhaupt?“, quirlig wie ihr gesamtes Wesen schienen auch ihre Gedankensprünge zu sein. Ich versuchte beruhigend auf sie einzuwirken: „Du bist in der Menschwelt und für jeden sichtbar, wenn du dich nicht versteckst“. Mit einem verschämten „Huch“ sauste sie hinter den Fliegenpilz und lugte vorsichtig um dessen Stiel. „Du bist ein,.... Mensch?“, sie flüsterte es ehrfürchtig.

 „Komm mit!“, forderte ich sie auf, „Ich bringe dich zurück!“

Aber so einfach war es nicht, die quirlige Wanaha bei mir zu behalten. Ständig sauste sie hierhin und dorthin, ließ sich von unzähligen Geräuschen ablenken und mich wunderte es nicht, dass sie dem Elfenreich verloren gegangen war.  

Erst als ich ihr versprach, sie dürfte mein Muttermal berühren, wenn sie jetzt brav folgte, blieb sie dicht bei mir. Ich konzentrierte mich und wie gewöhnlich führte mich der Wald in seineTiefe. Das Tor erschien vor mir, das mir den Zutritt zum geistigen Reich der Natur gewähren würde. Ich durchschritt es. Kaum hatte ich das Tor zur Anderswelt mit ihr durchquert, umringten mich plötzlich etliche Elfen.  

Zum ersten Mal sprachen sie mich an: „Wanderin zwischen den Welten, wir sehen und beobachteten dich oft – doch heute danken wir dir“. 

Ich nickte stumm und ergriffen, denn sichtbar gezeigt hatten sie sich bisher nie, geschweige denn mit mir gesprochen. Ihre Anwesenheit hatte ich bislang nur gespürt und ihre Zurückhaltung immer respektiert. Jetzt stellte ich fest, dass sie meine Anwesenheit ebenfalls respektiert hatten – so ungewöhnlich es auch für sie sein musste, einen Menschen ihre Welt durchwandern zu sehen.

„Gefangen im Vergessen eurer Welt“, sprachen sie, “konnte Wanaha ihren Weg zurück nicht finden und wir trauerten um sie, deren Schicksal es gewesen wäre, auf ewig für uns verloren zu sein“.  

Wanaha flirrte auf mich zu, direkt in mein Gesicht und ich schüttelte mich instinktiv. „Du hast es versprochen! Ich darf es anfassen!“, beharrte sie. Also hielt ich still und sie klebte auf meiner Wange, fasziniert von meinem Muttermal. „Kann ich das haben?“, fragte sie mich und ich erwiderte unsicher: „Von mir aus schon, aber es ist doch bloß ein Leberfleck“.

„Aber ich mag doch den Fleck“, erwiderte sie inbrünstig und dann kicherte sie vor mir in der Luft stehend und sauste davon. Hatte ich mich getäuscht oder war da plötzlich ein kleiner dunkler Punkt in ihrem Elfengesicht zu sehen gewesen?  

Auch die übrigen Elfen schwirrten nun kichernd davon und riefen mir zu:

„ElfLynn, Wanderin zwischen den Welten, so heißen wir dich von heute an. Und so seist du von nun an in unserer Welt bekannt und willkommen“.

Ich blieb noch eine Weile, mich daran erfreuend, dass ich die Wesen, deren Gegenwart ich bislang nur gefühlt, nun auch wirklich gesehen hatte. Ich wanderte voller Freude zurück in meine reale Welt und leise schloss sich das Tor des Waldes hinter mir.  

Als ich zu Hause ankam und meine Jacke an die Garderobe hing, fiel mein Blick in den Spiegel: Das Muttermal auf meiner Wange, das ich seit meiner Geburt trug, war verschwunden.

 




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